Was kann und was darf moderne Architektur? Soll sie nur introvertiert und abweisend zu sehen sein oder darf auch hier die Liebe zum Detail erkennbar werden?
Moderne Architektur am Beispiel Frankfurt. Was darf die Baukunst heute?
Jeder, der die Diskussionen rund um die moderne Architektur in Frankfurt am Main mitverfolgt hat, weiß, worum es geht. Hier wurde ein Streit über die Frankfurter Altstadt entfacht, der gleichzeitig die Frage aufwarf, was moderne Architektur darf und was nicht. Soll sie für sich stehen oder darf sie Altertümliches einbinden? Können nur Elemente dieses Jahrhunderts verwendet werden oder darf ein Architekt auch auf Merkmale vergangener Zeiten zurückgreifen?
Hier in Frankfurt am Main entstand durch die originalgetreue Rekonstruktion von 15 von insgesamt 35 Gebäuden eine Region, die sich von der Gleichheit abgewendet hat. Es wurde vielmehr auf Individualität gesetzt, ein Fakt, der heute in der Architektur nicht mehr zwingend eine Rolle spielt. Zu häufig wollen Investoren möglichst billig bauen, wollen Kosten sparen und verzichten dafür auf Details. Dies geht aber zulasten der Schönheit der Gebäude, sagen Kritiker.
Video: Frankfurts neue Altstadt – Ein bisschen wie Museum
Die moderne Architektur zeichnet sich dadurch aus, dass ganze Stadtteile völlig gleich sind, dass sie sich nicht in den Fassaden oder Haustüren unterscheiden. Lediglich die Nummer am Briefkasten sowie der zugehörige Name der Bewohner ließe eine Unterscheidungsmöglichkeit der Gebäude zu.
In Frankfurt am Main aber wurde durch die Stadt für rund 200 Millionen Euro und unter Verzicht auf einen privaten Investor eine Rekonstruktion von Gebäuden vorgenommen: Hier zeigen sich nun Wohnhäuser, Geschäfte und Cafés, denen von Kritikern ein Verfolgen rechter Ideale unterstellt wird. Angeblich hätten die Architekten versucht, rechtes Gedankengut und die entsprechende Symbolik umzusetzen und sogar die Gestaltung der Fachwerkhäuser stand schon zur Diskussion.
Die Stadt hatte sich gegen einen Entwurf zur Sanierung der Altstadt entschieden, die diese zum kulturellen Zentrum der Stadt machen wollen. Dieser Entwurf hatte sogar einen Preis beim Architektenwettbewerb gewonnen! Stattdessen entstand eine Optik, die von der Sehnsucht nach einer heilen Welt zeugt, die wiederum scheinbar nur in der Vergangenheit zu finden ist. Wer die Altstadt von Frankfurt am Main betrachtet, wird automatisch mit Erinnerungen an die Zeit des letzten Jahrhunderts konfrontiert.
Ob moderne Architektur dies nun darf oder nicht: Fakt ist, dass die Altstadt von Frankfurt derart gestaltet wurde und dass damit auf jeden Fall eine Menge Diskussionspotenzial entstanden ist. Allerdings gilt hier im besonderen Maße: Schönheit liegt im Auge des Betrachters!
Moderne Architektur richtig definiert?
Moderne Architektur lässt sich schwer definieren. Sicherlich weist sie einige Merkmale auf: Flachdächer werden statt althergebrachter Satteldächer verwendet, die Fenster besitzen keine Kreuze mehr, sondern sind als Panoramafenster gestaltet. Es entsteht allgemein ein nüchterner, kühler und abweisender Eindruck. Doch wie auch zeitgenössische Kunst nicht immer nur in einer Art und Weise zu interpretieren ist, kann die moderne Architektur ebenfalls auf verschiedene Arten gesehen werden.
Der Zeitraum, in dem moderne Architektur angesiedelt ist, lässt sich nur schwer definieren. Es wird davon ausgegangen, dass die Ursprünge der modernen Baukunst am Beginn des 20. Jahrhunderts liegen. Hier schloss sich die Moderne mit der Jugendstilbewegung, mit der Arts and Crafts Bewegung sowie mit dem Deutschen Werkbund zusammen.
Die Architektur wurde neu entdeckt, es ging darum, ein neues Verständnis dafür zu entwickeln. Verschiedene Strömungen flossen mit ein und heraus kamen einige Gemeinsamkeiten: Glas, bewehrter Beton und Stahl waren die Hauptmaterialien, die fortan in der modernen Architektur verwendet werden sollten.
Es galt, das neue Ich zu entdecken, sich abzugrenzen und auf unnötigen Schnickschnack zu verzichten. Vor allem die sogenannte „ornamentale Überladung“ wurde gänzlich abgelehnt. Hier fließen auch die Ansichten des Bauhausstils mit ein, bei dem Kunst und Handwerk miteinander verbunden wurden und avantgardistische und klassisch-moderne Gebäude entstanden.
Die folgenden Merkmale sind für die moderne Architektur bis heute prägend:
- Bauen im rechten Winkel
- wenige Bauten mit geschwungenen Formen
- Verwendung eines expressionistischen Stils
- Erkennbarkeit klarer Linien
- Flachdächer und Panoramafenster
- Verwendung greller Farben
- Nutzung natürlicher Rohstoffe zur Verkleidung der Fassaden
- quaderförmige Gebäude
Freilich ist nicht jedes Gebäude im modernen Stil mit all diesen Elementen ausgestattet, teilweise wird auch auf deutlich weniger Merkmale gesetzt bzw. werden diese mit anderen Stilelementen verbunden. Je nach Region, in der gebaut wird, müssen auch städtebauliche Vorgaben berücksichtigt werden, sodass ein gänzlich modern geplantes Haus oft nicht einmal gebaut werden darf. Es muss sich an die übrigen Gebäude anpassen, sich annähern und einfügen.
Damit ist ein wichtiger Bestandteil nicht mehr gegeben: Die Bewegung, die moderne Architektur salonfähig werden ließ, setzte auf Individualität. Man wollte sich eben nicht einfügen, wollte anders sein und ein Statement setzen. Das möchten auch viele Architekten, bis sie entdecken, dass ihre Ideen einfach nicht umsetzbar sind.
So entsteht der moderne Einheitslook, der heute mit der modernen Architektur gleichgesetzt wird, der aber oft einfach nur aus Gründen baurechtlicher Vorgaben entstanden ist. Auch moderne Architektur kann individuell sein!
Moderne Stadt ohne moderne Architektur?
Natürlich ist es nicht möglich, eine moderne Stadt ohne moderne Architektur zu sehen, so zeigt es auch das Beispiel von Frankfurt am Main. Die Umsetzung dieses doch recht teuren Projekts wird von vielen Architektur- und Kunstkritikern zweifelnd gesehen. Eine moderne Stadt, in die nicht dem Prinzip des Minimalismus folgt? Die nicht auf klare Formen und schlichte Farbgebung setzt?
Doch ganz stimmt es nicht, denn zumindest einige Kriterien der modernen Architektur sind auch in der Altstadt erhalten geblieben. So wurde auf Holz gesetzt, wobei natürliche Materialien für die moderne Architektur gern verwendet werden. Außerdem sind immerhin noch 20 Gebäude mit modernen Details versehen worden, sodass die zeitgenössische Baukunst hier dennoch zu sehen ist.
Heutige Städte sollen ästhetisch sein, wobei die Ästhetik der Moderne eine ganz andere als die früherer Zeiten ist. Kein klassischer Bauschmuck mehr, der sich an jedem Gebäude findet. Abhängig von der Region, in der die moderne Architektur betrachtet wird, kommen unterschiedliche Kriterien zur Anwendung. Bei den Gebäuden moderner Baukunst zählt die Konstruktion an sich.
Video: Neue Frankfurter Altstadt ist endlich fertig
Stahl, Beton und Glas sind dominierend, dennoch sind Holz und Stein als natürliche Materialien zu verwenden. Grund ist die Frage nach der Nachhaltigkeit, der sich auch die Architektur stellen muss. Außerdem bieten natürliche Materialien unschlagbare Vorteile in puncto Ökologie und Ökonomie, sie erreichen ein hohes Maß an Wohnlichkeit und hinterlassen den Eindruck eines hohen Wohnkomforts.
Der heute wieder so beliebte Kubus, der aus der Zeit des Bauhaus stammt, muss mit anderen Details kombiniert werden, damit aus dem Wohnwürfel ein Zuhause wird. Moderne Architektur passt sich an, ist flexibel und berücksichtigt den Wunsch nach Individualität der Menschen. Den Wunsch nach Wohnlichkeit und Harmonie, wobei diese beiden Punkte das Gegenstück zum hektischen Alltag darstellen. Menschen wollen sich in ihrem Zuhause wohlfühlen, sie möchten sich hierher zurückziehen können. Das Ergebnis sind schlichte Gebäude, die mit verschiedenen Details aufgewertet werden.
Sie wenden sich damit bewusst von der eingeschränkten Ästhetik der modernen Baukunst ab und stellen eher eine Mischung aus verschiedenen Stilen dar. Nun heißt es nicht mehr nur, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt, sondern auch, dass erlaubt ist, was gefällt. Insofern hat sich die Stadtverwaltung von Frankfurt am Main richtig entschieden und eine Mischung aus früherer Altstadt und moderner Baukunst zugelassen. Dadurch ergibt sich ein Bild moderner Architektur, die verschiedene Aspekte vereint und nicht als ein einzelner Stil gesehen werden kann.
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