Hochwasser in Deutschland gab es zu allen Zeiten. Mittlerweile scheinen sich die Flutkatastrophen jedoch zu häufen. Es stellt sich die Frage nach den Ursachen.
Hochwasser in Deutschland: Chronologie der Flutkatastrophen
Die Anwohner der Nord- und Ostseeküste sowie der großen Flüsse kämpfen seit der Besiedelung dieser Gebiete mit Hochwasserkatastrophen. Die „Grote Mandränke“ (Marcellusflut), die sich im Januar 1362 an der Nordseeküste ereignete, ist die erste schwere Sturmflut, von der historische Augenzeugenberichte vorhanden sind.
Die Sturmflut veränderte sogar den Küstenverlauf und hatte besonders in Westfriesland verheerende Folgen. Bis zu 100.000 Menschen fielen dem Hochwasser zum Opfer und ganze Siedlungen, wie das sagenhafte Rungholt, wurden von der Nordsee verschluckt. Die Kirche interpretierte diese Naturkatastrophe als Sintflut und Strafe Gottes für die Sünden der Menschen.
Doch nicht nur an den Küsten versetzte Hochwasser die Menschen zu allen Zeiten in Angst und Schrecken. Auch die Anwohner großer Flüsse wurden von dramatischen Flutkatastrophen heimgesucht. Die Magdalenenflut im Jahr 1342 gilt als eine der schlimmsten Hochwasserkatastrophen in Mitteleuropa.
An Rhein und Main wurden schwerste Schäden verursacht und auch die Orte an der Elbe wurden im selben Jahr von Überschwemmungen heimgesucht. Im Jahr 1501 stieg die Donau in Passau auf 13 Meter an und überflutete die Stadt.
Besonders vielen Menschen ist die Hochwasserkatastrophe in Erinnerung, die 1962 die Hansestadt Hamburg heimsuchte und allein in der Stadt 315 Menschenleben forderte. Damals erwarb sich der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt durch beherztes Eingreifen den Ruf als hervorragender Krisenmanager.
Die Chronologie der Hochwasser in Deutschland ist lang. Doch in den letzten 25 Jahren scheinen sich derartige extreme Wetterereignisse zu häufen und es stellt sich die Frage nach den Ursachen.
Video: Naturkatastrophen und Unwetter – Wenn das Wetter verrücktspielt | WDR Doku
Gründe für die Häufung von Flutkatastrophen in Deutschland
Hochwasser ist ein Phänomen, dass völlig natürlich ist und demzufolge von den Menschen kaum vermieden werden kann. Leider ist der Mensch jedoch sehr erfolgreich damit, die Bedingungen so zu verändern, dass vermehrt Hochwasser auftreten.
Das hat verschiedene Ursachen:
- Begradigung der Flüsse
- Vernichtung der Auen
- Versiegelung der Flächen
- häufigere und heftigere Niederschläge
Begradigung der Flüsse
Der Bau von Deichen sowie Dämmen führte dazu, dass die Überschwemmungsgebiete durch menschliches Eingreifen von den Flüssen getrennt wurden. Darüber hinaus hat man besonders die großen Flüsse wie Rhein, Elbe und Donau begradigt und zu Wasserstraßen ausgebaut, um die Schifffahrt zu erleichtern. Die Elbe wurde auf tschechischer Seite mit 22 Talsperren und Stauwehren an die wirtschaftlichen Bedürfnisse angepasst.
Das Resultat dieser Eingriffe ist überall gleich und führt dazu, dass die Fließgeschwindigkeit der Flüsse steigt. Zum Vergleich: Der Rhein benötigt für die Strecke von Basel in der Schweiz bis nach Karlsruhe heutzutage 30 Stunden. Vor 60 Jahren war die Fließgeschwindigkeit des Rheinwassers nur halb so hoch, sodass das Wasser für die gleiche Strecke mehr als 60 Stunden Zeit benötigte.
Vernichtung der Auen
Die Natur schützt sich vor Überflutungen durch natürliche Überflutungsflächen. Auf diese Weise wird das Flusswasser in der Landschaft gespeichert und in Zeiten der Dürre gelangt das Wasser zurück in die Flüsse.
Die Bebauung der Auen hat vielerorts den natürlichen Hochwasserschutz zerstört. In Deutschland hat man auf diese allgemein bekannten Zusammenhänge leider jahrzehntelang keine Rücksicht genommen. Die Folgen sind dramatisch. Mittlerweile sind mehr als 80 Prozent der Überflutungsflächen bebaut.
Versiegelung der Flächen
Die Versiegelung der Landflächen durch Beton und Asphalt schreitet in Deutschland mit großer Geschwindigkeit voran. Täglich werden 100 Hektar freie Flächen versiegelt. Es verschwindet somit in jeder Stunde die Fläche von fünf Fußballfeldern unter Steinen, Beton oder Asphalt.
Das führt dazu, dass das Abflusswasser beschleunigt wird, denn es kann nicht im Boden versickern und fließt deshalb in die Kanalisation. Der Regen gelangt somit sehr viel schneller zurück in die Flüsse, als dies beim natürlichen Wasserkreislauf über das Grundwasser der Fall wäre.
Häufigere und heftigere Niederschläge
Auch die Wahrnehmung vieler Menschen, dass es schlichtweg häufiger und heftiger regnet, ist zutreffend. In Deutschland gibt es doppelt so viele extreme Wetterlagen wie noch von einhundert Jahren. Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine Folge der Klimaerwärmung.
Einzelne Hochwasserkatastrophen lassen sich nicht allein mit dem Klimawandel erklären. Es ist jedoch ein eindeutiger Zusammenhang zwischen höheren Temperaturen und häufigerem Starkregen vorhanden. Je wärmer die Luft ist, desto mehr Wasserdampf steigt in die Atmosphäre auf.
Daten belegen, dass der Prozentsatz der absoluten Feuchtigkeit in den Jahren zwischen 1951 und 2006 um vier Prozent gestiegen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass ausgerechnet die Wetterlagen, die Starkregen begünstigen, ebenfalls zugenommen haben.
Hochwasser im Raum Kassel
In Westdeutschland betrifft diese Entwicklung besonders das Rhein- und das Wesergebiet und auch die kleineren Flüsse in diesen Regionen. Dabei reicht es bereits aus, dass die Niederschläge länger dauern. Auch ohne Starkregen entstehen dann durch die gesättigten Böden die gefürchteten Hochwasser.
Ein Beispiel für eine Hochwasserkatastrophe sind die Überschwemmungen im Kreis Kassel, als im Juli 2017 die Flüsse nach tagelangem Dauerregen über die Ufer traten. In Nordhessen und Südniedersachsen hielten die Überschwemmungen die Einsatzkräfte mehrere Tage in Atem und führten zu überfluteten Straßen, aber auch zu Hangabrutschen und Verkehrsunfällen.
In einigen Orten gelang es den Feuerwehren und zahlreichen freiwilligen Helfern, das Wasser durch Sandsäcke von den Häusern fernzuhalten. In anderen Orten mussten Keller und Garagen ausgepumpt werden. Umgestürzte Bäume blockierten Straßen und nasse Fahrbahnen führten zu Unfällen.
Bereits zwei Jahre später, im Mai 2019, traf das Hochwasser wieder die Region Kassel und sorgte für Chaos. Starkregenfälle, die das Tief Axel verursachte, führten zu diesem Unwetter. Wieder wurden Straßen überflutet und Bäume umgeknickt.
Mit Sandsäcken schützten sich die Anwohner vor Massen aus Wasser und Schlamm, die sich den Weg durch ganze Straßenzüge bahnten. Menschen mussten von der Feuerwehr aus ihren Autos befreit werden und in Kassel wurde ein ganze Firma evakuiert, die großflächig unter Wasser stand.
Hochwassersituation im Süden und Osten Deutschlands
Auch im Süden und Osten des Landes sind vermehrt Hochwasser-Wetterlagen festzustellen. Insbesondere das Donau- sowie das Elbeeinzugsgebiet sind von häufigen Überflutungen betroffen. In Ostdeutschland ist neben den bislang diskutierten Einflüssen auch die Veränderung der Großwetterlange im Winter von Relevanz.
Die Winter sind tendenziell milder und somit eher regen- als schneereich. Es ist außerdem zu beobachten, dass die Großwetterlagen stabiler sind und länger andauern. Das führt im Sommer vielerorts zur Dürre und im Winter zu Dauerregen mit gesättigten Böden.
Unter dem Begriff „die große Flut“ ging das Hochwasser, das 1954 in Bayern an der Donau ganze Landstriche verwüstete, in die Geschichte ein. Dauerregen führte im Juli dazu, dass 150.000 Hektar Land überschwemmt wurden. Der Regen fiel auf gesättigten Boden, denn bereits im Juni hatte es eine längere Regenperiode gegeben. 9.000 Menschen mussten evakuiert werden und 12 Todesopfer waren zu beklagen.
Es entstanden hohe Schäden an Straßen, Brücken, Gebäuden, Läden und Firmen. Auch die Landwirtschaft musste Schäden in Millionenhöhe hinnehmen.
Flutkatastrophe in Niederbayern
2016 wurden im Juni die idyllischen Bäche im unteren Inntal in Niederbayern zu reißenden Flüssen, die alles mit sich rissen und den kleinen Ort Simbach überfluteten. Die Situation verschärfte sich so schnell, dass die Evakuierung der Menschen teilweise mit dem Helikopter vorgenommen werden musste, weil die Rettungskräfte nicht mehr bis zu den Häusern vordringen konnten. An der Stelle, wo der Simbach auf den Kirchbach trifft, entstand zunächst ein Stausee, dann bahnten sich die Wassermassen ihren Weg und rissen Teile der Straße weg.
Die Wassermassen schwemmten Schlamm, Geröll und Treibholz in den Ort und hinterließen ein Bild der kompletten Verwüstung. Die Flutwelle erreichte dann schließlich sogar die B 12, die zuerst überspült und später unterspült wurde, bis sie schließlich abbrach. Zurück blieb ein riesengroßes Loch in der Abfahrt. Auch im Stadtbereich Simbachs stiegen die Pegel weiter und zerstörten ganze Straßen. Das gesamte Ausmaß der Katastrophe wurde erst sichtbar, als die Wassermassen sich zurückzogen.
Todesopfer und Zerstörung durch Flutkatastrophe in Russland
Eine Hochwasserkatastrophe, die erst wenige Wochen zurückliegt, ereignete sich Ende Juni und Anfang Juli 2019 im russischen Irkutsk. Es wurden 50 Ortschaften in Sibirien überschwemmt und mindestens fünf Menschen starben in den Fluten.
Darüber hinaus wurden über 350 Menschen verletzt. Die Situation ist besonders tragisch, denn Irkutsk wurde wenige Wochen zuvor aufgrund anhaltender Trockenheit von verheerenden Waldbränden heimgesucht.
Video: Wetterkatastrophen – TORNADO, STURM und HOCHWASSER in Deutschland
Zunahme extremer Wetterlagen führt zu Hochwasserkatastrophen
Aufgrund des Klimawandels ist leider damit zu rechnen, dass die extremen Wetterlagen immer stärker zunehmen werden. Das betrifft einerseits lange Dürreperioden im Sommer, aber andererseits auch Wetterlagen mit Dauer- und Starkregen, die zu Hochwasser führen.
Aus diesem Grund fordern Katastrophenschützer, eine gezielte Vorbereitung auf derartige Wetterlagen. Ein Frühwarnsystem könnte dazu beitragen, Menschen zu schützen und den Bewohnern der betroffenen Gebiete die Möglichkeit geben, sich rechtzeitig zu wappnen.
Die Entwicklung von Smartphone-Apps für Unwetterwarnungen ist eine Option, die Reaktionszeit zu verlängern. Eine einheitliche Vorgehensweise scheitert bislang daran, dass der Katastrophenschutz in Deutschland Ländersache ist.
Es ist jedoch unumstritten, dass akuter Handlungsbedarf besteht. In naher Zukunft werden immer mehr Regionen von Hochwasser betroffen sein. Das Potsdam-Institut für Klimaforschung geht davon aus, dass im Jahr 2040 700.000 Menschen in Gebieten leben werden, die oft von Überschwemmungen betroffen sind.
Maßnahmen gegen Hochwasser und Überschwemmungen
Es drohen außerdem zunehmend Überschwemmungen aus der Kanalisation, die mit den Wassermassen überfordert ist. Die Städte bereiten sich auf diese Entwicklung vor. Nach der verheerenden Flutkatastrophe an der Elbe im Jahr 2002 wurde damit begonnen, verstärkte Anstrengungen für den Hochwasserschutz zu unternehmen. Dabei ist den Verantwortlichen durchaus bewusst, dass es nicht ausreicht, die Deiche zu erneuern oder zu erhöhen.
Ein nachahmenswertes Beispiel für einen effektiven Hochwasserschutz sind die Maßnahmen der Niederländer. Deren landesweites Programm „Ruimte voor de Rivier“ (zu deutsch: Platz für den Fluss) sieht einerseits die Verstärkung von Deichen vor. Andererseits werden Deiche auch gezielt abgebaut und es wird für neue Überschwemmungsgebiete gesorgt.
Dafür verlegen unsere holländischen Nachbarn sogar ganze Siedlungen. Ein System aus Sturmflutsperrwerken und Schleusen komplettiert das Programm. Die Anstrengungen zahlen sich bereits aus. Auch bei hohen Pegelständen von Rhein, Waal und Maas bleibt die Situation unter Kontrolle.
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